"Wir lernen immer". Das ist das Thema, mit dem sich Manfres Spitzer befasst. Der Psychator und Psychologe befasst sich seit 2002 mit dem Thema des Lernens und der Hirnforschung.
2002 erschien sein Werk "Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens". Er beschreibt die Zusammenhänge des Gehirns und des Lernens.
In seinem Vortrag "Wir lernen immer" wird ausführlich erklärt, wie das Lernen vom Standpunkt der Gehirnforschung aus funktioniert. "Babys sind Weltmeister im Lernen.", sagt er. "Die werden geboren und können eigentlich noch nichts und nach ein paar Monaten fangen sie an und reagieren auf die Umwelt. Sie reagieren sehr früh schon auf ihre Umwelt"
So haben Forscher herausgefunden, dass Babys schon mit 7 Monaten bereits einfache Grammatikalische Strukturen eines Satzes erkennen können. Doch wer verstehen will, warum das so ist, muss verstehen können, wie das lernen funktioniert. Da gibt es drei Wege. Der eine ist der Weg, den jeder täglich beschreitet. Jeder Mensch lernt durch Wiederholung einer Sache. So werden die Synapsen im Gehirn trainiert.
Mit der Zeit werden die Synapsen größer und die elektrischen Impulse erzielen eine größere Wirkung. Hierzu ein kleiner Vergleich. Man stelle sich eine Wiese vor. Es ist Winter und man hat ca. 30 Centimeter Neuschnee. Wenn man nun etwa ein Dutzend Menschen auf diese Wiese setzt, laufen sie auf der Wiese umher, am Ende des Tages ist der Schnee plattgetreten, des gibt einige Spuren, aber nach dem nächsten Schnee sieht alles aus wie vorher. Stellt man nun aber auf der einen Seite der Wiese einen Glühweinstand und auf die andere ein Toilettenhäuschen, so ergibt sich am Ende des Tages eine breite Spur. Jeder läuft mehr oder weniger gerade auf das Toilettenhäuschen zu. Jeder benutzt den Pfad, der sich dort bildet und am Ende des Tages is dort ein Trampelpfad entstanden, der auch nach dem näcshten Schnee noch da ist.
So wird meist durch Wiederholen gelernt. Doch es geht noch weiter: Wenn eine solche Synapse erst einmal besteht, kann sie nicht wieder ohne äußerlichen Einfluss verschwinden. Im Bezug aufs Beispiel kann man dies so erklären. Die Menschen laufen, um zu einem bestimmten Punkt zu kommen so oft es geht über diesen Pfad, anstatt durch den tiefen Schnee zu stapfen. Allein deswegen, weil er da ist, wird der Pfad benutzt. Projiziert man dies auf das Gehirn ergibt sich folgendes Bild: Die Synapsen bilden sich durch regelmäßiges Training. Sind sie geschaffen und sind sie erst einmal angewachsen und bieten viel Fläche zur Übertragung von Informationen, werden sie automatisch genutzt und können Verbindungen zu anderen Synapsen aufbauen.
Wer das verstanden hat, der muss allerdings noch verstehen, wie man nicht lernt: Mit Angst. Ein gutes Beispiel ist die Mathematik. Wenn ältere Menschen auf der Straße nach einer mathematischen Formel gefragt werden, "blockiert" ihr Gehirn sofort. Wieso? Zusammen mit der Erinnerung an diese Formeln kommt ebenfalls ihre Angst hoch. Und unser Gehirn stammt noch aus einer Zeit, wo in Angst-Situationen striktes Denken gefragt war. "Kämpfen und weglaufen." Instinktives statt logisches Denken. Darauf schaltet das Gehirn um. Daher können viele Menschen im fortgeschrittenen Alter nicht mehr mit mathematischen Formeln umgehen. "Angst schließ Kreativität aus.", so Manfred Spitzer.
Doch dann gibt es noch andere Arten zu lernen. Als Beispiel gilt hier die Hand auf der heißen Herdplatte, oder der erste Kuss. Beides Momente, die man nur einmal hat. Wer einmal die Hand auf der Herdplatte hatte, weiß, dass es schmerzt, und tut das nicht noch einmal. Niemand muss immer wieder die Hand auf die Herdplatte legen, um zu lernen, dass das schmerzt.
Auch der Erste Kuss ist ein einmaliges Erlebnis. Jeder lernt in diesem Bruchteil jede Menge Informationen kennen. Er verarbeitet das Wissen und speichert es ab. Nach dem ersten Kuss hat jeder die Erfahrung des Küssens gemacht und wird sie nicht mehr vergessen.
Doch wie nahe diese beiden Beispiele auch miteinander verknüpft scheinen, so weit voneinander entfernt liegen sie doch in Wirklichkeit.
Denn Hirnforscher haben nun herausgefunden, welche Bereiche des Gehirns für dieses "Turbolernen" verantwortlich sind. Welche Bereiche des Gehirns anspringen in solchen Momenten.
Für das Beispiel des Mathematikunterrichts oder der heißen Herdplatte ist der Mandelkern des Gehirns verantwortlich. In diesem Teilbereich des Gehirns werden die Ängste verarbeitet und lassen ein "Turbolernen" zu. Allerdings mit negativen Folgen: Wer über den Mandelkern lernt, lernt für den Rest seines Lebens die Angst mit.
Die Andere Art ist der Nucleus accumbens. Das Glückszentrum des Gehirns. Gefunden hat man es, indem man kokainsüchtige Männer auf Entzug in die "Röhre" gesteckt hat und ein Bild ihres Hirns aufgenommen hat. Diesen Männern ging es psychisch schlecht, das einzige, worauf sie gewartet haben, war der nächste Schuss Kokain. Also gaben die Forscher den Männern das Kokain und konnten so das Glückszentrum des Gehirns finden.
Die Funktion des Glückszentrums ist relativ simpel zu erklären: Die Nervenzellen produzieren bei einer Erregung sogenannte "endogene Opoide". Das Hirn produziert also eigens Opium.
Doch die Funktion des Glückszentrums geht noch weiter: Lernprozesse werden bei einer Erregung des Glückszentrums beschleunigt. Alles, was das Gehirn im diesen Momenten aufnimmt, nimmt es besser auf als unter normaler Aktivität. Das Gehirn nimmt also Informationen besser auf, wenn eine Person in guter Stimmung, in einem Glücksgefühl schwebt.
Eine Frage, die sich den Forschen sofort auftat, was folgende: Wann springt das Glückszentrum an? Die Antwort hatten sie bereits. Wenn ein Mensch Kokain verabreicht bekommt. Jedoch zeigten weitere Versuche, dass auch einfache Dinge den Nucleus accumbens stimulierten. Sie sagten den Testpersonen, sie würden einen Euro geschenkt bekommen. Bereits dort sprang das Glückszentrum des Gehirns an. Als die Person dann aber den Euro in die Hand bekam, war dies nicht der Fall. Weitere Tests und Studien zeigten, dass das Glückszentrum erst dann anspringt, wenn Dinge oder Ereignisse passieren, die unerwartet kommen.
Ein Einfaches Beispiel: Ein Mann spart mehrere Jahre auf einen neuen Mercedes. Der alte hat ausgedient, er fährt ihm zu unruhig. Nach drei Jahren hat er es geschafft, das Geld reicht für einen neuen Wagen aus. Als er den neuen Wagen nun ausprobiert, ist er wunschlos glücklich, er fährt besser als der alte und sieht besser aus. Doch am nächsten Tag schon ist der neue Wagen zum alten Wagen geworden und der Mann macht Überstunden für das nächste Auto. Damit ist der die nächsten drei Jahre unglücklich, um für einen einzigen Tag glücklich zu sein.
Ein anderes Beispiel ist der tägliche Einkauf. Die Frau steht im Laden und kauft ein. Als sie den Laden verlässt leuchtet ein kurzes Glücksgefühl auf, verschwindet aber schnell wieder.
Das Fazit ist also: Glück kann man nicht kaufen, es kann nur unerwartet kommen.
Und wer gut und schnell lernen will, sollte immer so leben, dass viele Dinge unerwartet kommen.
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